Ein explosiver Habitus?: Über Nutzen und Grenzen von Bourdieus Praxistheorie für die Erklärung von Selbstmordattentaten = An explosive habitus? : On the benefit and limitations of Bourdieu’s practice theory for the analysis of suicide attacks : a reply to André Armbruster’s “Practical Sense for Suicide Attacks”

André Armbrusters Skizze einer praxeologischen Erklärung von Selbstmordanschlägen kommt das große Verdienst zu, die dominierenden rationalistischen Ansätze zu Selbstmordterrorismus nicht nur zu kritisieren, sondern eine soziologische Alternative auf der Basis einer nicht-rationalistischen Sozial...

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Bibliographic Details
Main Author: Mayer, Lotta (Author)
Format: Article (Journal)
Language:German
Published: 10 February 2020
In: Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung
Year: 2020, Volume: 9, Issue: 1, Pages: 37-45
ISSN:2524-6976
DOI:10.1007/s42597-020-00025-1
Subjects:
Online Access:Verlag, lizenzpflichtig, Volltext: https://doi.org/10.1007/s42597-020-00025-1
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Author Notes:Lotta Mayer
Description
Summary:André Armbrusters Skizze einer praxeologischen Erklärung von Selbstmordanschlägen kommt das große Verdienst zu, die dominierenden rationalistischen Ansätze zu Selbstmordterrorismus nicht nur zu kritisieren, sondern eine soziologische Alternative auf der Basis einer nicht-rationalistischen Sozialtheorie zu formulieren. Dennoch greift Armbrusters Ansatz an entscheidenden Stellen zu kurz. Dies gilt sowohl in theoretischer als auch in empirischer Hinsicht. Während in Bourdieus Theorieanlage den unintendierten Sozialisationsprozessen im jeweiligen sozialen Feld eine zentrale Rolle zukommt, fokussiert Armbruster fast ausschließlich auf organisierte ,Trainingsprozesse‘ in den Camps der Hisbollah. Derart geraten ihm die ungesteuerten Sozialisationsprozesse im Feld, durch welche eine habituelle Disposition für Selbstmordattentate auch ohne darauf ausgerichtete Ausbildung entstehen könnte, fast völlig aus dem Blick. Mutmaßlich hängt dies damit zusammen, dass Armbruster das relevante Feld als ,Feld der Hisbollah‘ fasst, und derart den Kontext sozialer und politischer Konflikte in der Region aus den Augen verliert. Dieser Kontext aber ist zentral für die Erklärung des Entstehens eines desire für Selbstmordattentate ohne ,Training‘: Die Feldanalyse muss hier als Konfliktanalyse, nicht als Organisationsanalyse erfolgen. Zudem ist Armbrusters These, dass ein solches desire des Attentäters notwendig und hinreichend für Selbstmordanschläge sei, empirisch zweifelhaft. Vielmehr bedürfte es einer empirisch basierten Typologie unterschiedlich motivierter Attentäter in Relation zu den Prozessen ihrer Rekrutierung. Daran anschließend fragt sich, ob und wie mit Bourdieus Sozialtheorie jene Selbstmordanschläge, deren Ausführender kein entsprechendes desire entwickelt hatte, zu erklären wären.
Item Description:Gesehen am 14.03.2023
Physical Description:Online Resource
ISSN:2524-6976
DOI:10.1007/s42597-020-00025-1